Wie Hedgefonds WallStreetBets unterschätzt haben – eine stille Fehleinschätzung

Veröffentlicht am 12. Dezember 2025 | WSB Blog

Rückblickend wirkt alles logisch.
GameStop, AMC, Short Squeezes, Milliardenverluste bei Hedgefonds.
Aber damals, mitten im Geschehen, hat kaum jemand ernsthaft geglaubt, dass ein Internetforum den Markt aus dem Gleichgewicht bringen kann.
Ich erinnere mich gut an diese Zeit – nicht als Held, sondern als Beobachter, der gemerkt hat: Hier passiert etwas Grundsätzliches.


Die Annahme: „Retail hat keine Macht“

Über Jahre hinweg galt an der Wall Street eine einfache Überzeugung:
Privatanleger sind laut, emotional, aber am Ende irrelevant.
Sie handeln zu klein, zu unkoordiniert, zu kurzsichtig.
Hedgefonds bauten Short-Positionen auf, teilweise aggressiv, teilweise öffentlich einsehbar.
GameStop war dafür das perfekte Beispiel:
Ein angeschlagenes Geschäftsmodell, schrumpfende Umsätze, kaum Zukunftsperspektive – zumindest aus klassischer Sicht.
Was man übersah, war nicht die Aktie.
Man übersah die Dynamik.


WallStreetBets war kein Fonds – sondern ein Schwarm

WSB funktionierte nicht wie ein Investmenthaus.
Es gab keine Abstimmungen, keine Strategie-Calls, keine einheitliche Meinung.

Aber es gab etwas anderes:
Wiederholung. Sichtbarkeit. Emotion.

Wenn tausende Menschen denselben Ticker posten, Memes bauen, Screenshots teilen und Verluste offen zeigen, entsteht etwas, das klassische Modelle nicht abbilden können.
Kein koordiniertes Handeln – aber kollektive Aufmerksamkeit.

Und Aufmerksamkeit ist im Markt ein realer Faktor.


Das strukturelle Problem der Shortseller

Viele Hedgefonds waren nicht einfach „short“.
Sie waren zu stark short, teilweise über 100 % des Free Floats.
Das war kein Fehler im klassischen Sinn – es war über Jahre akzeptierte Praxis.
Doch in einem Umfeld, in dem plötzlich Millionen Privatanleger Zugriff auf dieselben Informationen, dieselben Broker und dieselbe Öffentlichkeit hatten, wurde diese Praxis zur Schwachstelle.
Als die Kurse stiegen, mussten Positionen gedeckt werden.
Nicht aus Panik – sondern aus Risikomanagement.
Doch genau diese Eindeckungen trieben den Kurs weiter nach oben.

Ein selbstverstärkender Effekt.


Warum die Reaktion zu spät kam

Was mich damals überrascht hat:
Wie lange große Marktteilnehmer gebraucht haben, um zu reagieren.

Man sah es in Interviews, Analystenkommentaren, Research-Notizen.
WSB wurde belächelt.
Als kurzfristige Anomalie abgetan.
Als „Retail-Noise“.

Doch Märkte bestrafen Arroganz schneller als Unwissen.
Als klar wurde, dass der Hype nicht sofort verschwindet, war der Schaden bereits angerichtet.


Was sich dauerhaft verändert hat

Heute werden Social-Media-Daten ausgewertet.
Reddit-Trends fließen in Risikoanalysen ein.
Short-Positionen werden vorsichtiger kommuniziert.
Nicht, weil Hedgefonds plötzlich Angst vor Memes haben –
sondern weil sie gelernt haben, dass Narrative genauso mächtig sein können wie Bilanzen.

Ich glaube nicht, dass WallStreetBets die Wall Street besiegt hat.
Aber sie hat sie gezwungen, umzudenken.


Keine Revolution, aber ein Wendepunkt

GameStop war kein Systemsturz.
Es war ein Warnsignal.
Ein Hinweis darauf, dass Märkte sich verändern, wenn Technologie, Öffentlichkeit und Emotion zusammentreffen.
Hedgefonds haben nicht verloren, weil sie dumm waren.
Sondern weil sie etwas übersehen haben, das nicht in ihren Modellen existierte.

Und genau darin liegt die eigentliche Lehre.